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Pink ist das neue Rosa

So, Jun 5, 2011

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Pink ist das neue Rosa

Die Laufmode hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Heute lauert in jeder Faser eine Innovation. Darüber haben die Designer beinahe eines ganz vergessen: die Farben.

Jogginghosen sind eines der letzten Rätsel der Menschheit. Werden doch die innen angerauhten Beinsäcke bevorzugt für Tätigkeiten getragen, die dem Joggen geradezu konträr gegenüber stehen – oder besser: liegen. Ultra-Couching etwa, oder das beliebte 6-Stunden TV-Watching. Startschuss: Freitag Abend.

Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da wurden Jogginghosen tatsächlich zum Joggen getragen. Kombiniert mit einem baumwollenen Kapuzenpulli ergab die Jogginghose ein Outfit, in dem sich Läufer für beinahe jedes Wetter bestens gerüstet fühlten. Auf der berühmten Fotoserie, die Frauenmarathon-Pionierin Kathrine Switzer bei ihrem ersten Marathon 1967 in Boston zeigt, trägt sie eben jene Jogginghosen – die Herren um sie herum sind in schlabberige Sweatshirts gehüllt. Wer heute das Geheimnis zu ergründen versucht, warum in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts vergleichsweise schnelle Zeiten gelaufen wurden, sollte auch einmal den Jogginganzug als Ursache in Betracht ziehen. Vermutlich gaben Läufer damals alles, um das klatschnass geschwitzte Baumwollungetüm so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Die Jogginghose wurde abgelöst durch die Trainingshose, bald auch Trainingstight. Die nylondurchwirkten Errungenschaften der Chemie dünsteten in kürzester Zeit einen charakteristischen Turnhallengeruch aus – selbst wenn die Hose nie in einer Turnhalle getragen wurde. An den Oberschenkelinnenseiten bildeten sich kleine Knötchen, die sich wie ein unangenehmer Ausschlag auf die gesamte Hose ausweiteten. Die größte Pein verursachte allerdings der Gummisteg um die Ferse, der für den tadellosen Sitz des Beinkleids sogen sollte. Er verursachte ein unangenehmes Reiben unter der Fußsohle, weshalb er meistens ignoriert wurde und wie ein verirrter Haltegriff wellig und schlaff hinter der Achillessehne herumbaumelte. Für Frauen war die Gummischlaufe ohnehin sinnlos. Da es kaum Frauentights gab, kaufte man solche für Herren – die immer zu lang waren. Dadurch dekorierte die nicht enden wollende Hose die Laufschuhe wie eine Gamasche und gab den Frauenfüßen etwas Hufiges. Kein schöner Anblick, aber das Leben ist schließlich kein Bambini-Lauf.

Inzwischen gibt es Hosen in allen Längen und Breiten, sogar die ¾ Hose, die aus ihrem Träger eine Art Wadenmonster macht, findet ihre Liebhaber. Auch bei den Jacken vollzog sich eine Revolution: aus raschelnden Plastiksäcken mit Kapuze, die sich bei Wind aufblähten wie kleine Fesselballons, wurden microfeine elegant geschnittene Joppen mit mp3-Fach und Kopfhörerausgang. Runde wie schlanke Frauen finden Hüftumspielendes und Tailliertes.

Ein Aspekt der Laufmode kam allerdings lange Zeit nur sehr schleppend voran: die Farben. So sind die Designer partout nicht davon abzubringen, das weiße T-Shirt zur Basis eines ordentlichen Lauf-Outfits zu erklären. Vielleicht träumt man in Laufmode-Designerkreisen regelmäßig von Wet-T-Shirt-Contests, anders ist dieses Beharren kaum zu erklären. Weiße T-Shirts, insbesondere die modernen, körpernah geschnittenen, sind bei Frauen ein aufmerksamkeitsstarkes Kleidungsstück, zumal wenn der Schweiß den Körper etwas kühlt. Und trotzdem hängen sie jedes Jahr wieder auf den Bügeln. Doch auch für Männer sind weiße T-Shirts völlig unpraktisch. Jeder, der einmal vergessen hat, beim Marathon seine Brustwarzen abzukleben oder der beim Wettkampf eine rostende Sicherheitsnadel erwischt hat, kennt das Problem.

Shirt weiß

Und dann gibt es da noch die Blau-Rot-Krankheit. Rot und Blau sind die klassischen Farben für Männer und Frauen. Jedes Jahr aufs Neu: Modefarbe Rot, Modefarbe Blau. Es ist jedoch genau umgekehrt wie früher im Kinderwagen: laufende Männer tragen meistens rot, die Frauen blau. Es sei denn, es sind Pastellfarben. Rosa und Hellblau sind den Frauen vorbehalten. Rosa und Hellblau sind auch die Farben der Frauen-Laufschuhe. Wer bislang etwas suchte, das schnell und gefährlich aussieht, orange etwa oder dunkelgrau mit gelb, der landete bei Männerschuhen. Sonst: rosa und hellblau. Bestenfalls mint. Designer für Frauenlaufbekleidung orientieren sich scheinbar meist am Geschmack von Pudelfriseusen und Nagelstudiobesitzerinnen.

Frauenlaufschuhe

Ganz schön kreativ, diese Farbgebung.

Doch seit etwa einem Jahr gibt es Hoffnung. Neongelbe und –grüne Jacken, bislang eher von Nachtläufern und Menschen mit Sehfehlern bevorzugt, erobern die Kleiderschränke. Ein Hersteller des hässlichsten Kleidungsstücks der Welt, des Kompressionsstrumpfs, zeigt, was Selbstbewusstsein heißt: statt verschämtem Schwarz knallt pink und grün von der Wade. Schuhe leuchten und ihre neonfarbenen Schürsenkel lechzen nach Bestzeiten. Laufoberteile sind seit Neuestem Lila, Grün, Pink, Braun oder Senffarben. Die Bilder der kommenden Marathons werden ein Meer von Farben zeigen.

Geht doch!

Geht doch!

Damit ist die Laufmode endlich da angekommen, wo die Läufer schon lange sind. Denn das Leben des Läufers ist bunt. Er sieht pralle Sonnenaufgänge, kennt alle Nuancen des Herbstwalds und entdeckt als erster die knallgrünen Knospen im Frühling. Im Wintergrau springt er über Pfützen und macht sich farbenfrohe Gedanken. Was er dabei anhat, ist ihm beinahe schon egal. Aber warum sollte er nicht etwas tragen, was zu ihm passt?

(Erschienen in der Runner’s World Mai 2011)

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2Antworten um “Pink ist das neue Rosa”

  1. Jörg Says:

    Also das Finishershirt vom Rennsteig-SM 2011 in weiß ist einfach geil. Aber vielleicht liegt es auch nicht an der Farbe.

    Grüße

    Jörg

  2. Daniel1063 Says:

    Gerade die hellen Farben beim Laufoutfit und insbesondere den Schuhen haben meist psychologische Hintergründe. So sollen die hellen Farben aufmuntern, wenn der Läufer ermüdet und zum Boden blickt. Ich bin auf jeden Fall auch ein großer Fan der grellen, bunten Farben und freue mich, dass mehr und mehr Abwechslung ins Spiel kommt.


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