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Boing, boing, boing.

So, Apr 26, 2015

Produkttests, Schuhe

Boing, boing, boing.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein echter Produkttestmuffel bin. Zwar bin ich immer neugierig und experimentierfreudig, aber die Beschreibung von Produkten finde ich eigentlich ein bisschen langweilig und obendrein subjektiv. Ich bin nicht sicher, ob das wirklich jemandem hilft. Und bei solchen technischen Angaben zu Laufschuhen wie etwa „Sprengung“ schlafe ich schon beim Schreiben ein.

Trotzdem, ich will mal wieder eine Ausnahme machen. Wenn etwas wirklich super ist, kann man es ja ruhig mal beschreiben. Seit Jahren streiche ich um Laufschuhe der Schweizer Marke on-running herum, hin- und hergerissen. Ich bin schon lange keine besonders schnelle Läuferin mehr, ich suche bei Läufen Laufspaß und Komfort. Meine Tendenz zur Dämpfung und einem „gemütlichen“ Schuh“ hat zu Fehlkäufen geführt, wie etwa beim Brooks Gycerin 11, der mehr Schuh an meinem Fuß bedeutete als ich brauche. Komfortabel mag ich es schon, aber gleichzeitig leicht und fluffig. „Mein“ Schuh ist seit Jahren der Brooks Ghost, für mich genau die richtige Mischung aus Dynamik, Leichtigkeit und Komfort. Ich liebe es, neue Schuhe zu tragen, die lautlos sind und noch wunderbar federn.

Ein Hersteller, der ein „Laufen wie auf Wolken“ verspricht, zieht mich da magisch an. Nun haben wir ja in den letzten Jahren gelernt, dass bei allem Komfort das Gefühl, Boden unter den Füßen zu haben, nicht ganz unwichtig ist. Auch für mich gilt: Ich will lieber den Boden spüren als die Schuhe. Die auffällige Sohle der on-Schuhe mit ihren kleinen Puffern sieht toll aus, weil sie Komfort verspricht. Sie hat mich aber auch immer abgeschreckt, weil ich dachte, das KANN nicht funktionieren. Man hat keinen Bodenkontakt mehr und läuft vermutlich wie auf kleinen Klötzchen. Der Grund, warum ich die Schuhe nie anprobiert habe, ist aber sehr profan. Ich mochte das Design nicht. Die Damenschuhe hatten meist blöde Farben, wie ich fand. Außerdem war ich ja mit meiner kleinen Schuhauswahl zuhause glücklich. Never change a running shoe.

Dann sah ich im Laufladen meines Vertrauens ein Video, das den Unterschied von einem on-Schuh gegenüber einem beliebigen Laufschuh beim Aufprall zeigt. Ich gehöre zu den Menschen, die auch im Baumarkt stehen bleiben, wenn jemand auf einem Bildschirm Putzlappen demonstriert, deshalb habe ich das natürlich aufmerksam betrachtet. Beim normalen Laufschuh sah man in Slowmotion, wie die Muskulatur der Wade beim Aufprall mächtig in Bewegung geriet. Beim on-Schuh passierte da herzlich wenig – die kleinen Waben haben einen großen Teil des Aufpralls absorbiert. Ich nickte anerkennend und fast schon überzeugt. Ich nahm den Schuh in die Hand und fand seine Innenausstattung hart und gar nicht gemütlich. Und dann stellte ich ihn wieder hin. Wir fanden einfach nicht zueinander, der Schuh und ich.

Aber irgendwann war ich reif. Zugegebenermaßen half das Design: Ich sah ein Modell in einer Farbkombination, die ich richtig mochte. Und dann bekam ich auch noch die Gelegenheit, den Schuh zu testen – ein Traum. Mit Freude und Skepsis machte ich mich an den On-Cloudsurfer-Test.

on Cloudsurfer Test 1

Liebe auf den ersten Blick war es nicht. Ich vermute ja, dass Brooks die Maße meiner Füße als Maßstab für seine Schuhe nimmt, wo immer die sie auch herhaben mögen. Die Paßform ist für mich hier überragend. Außerdem ist das Innenleben der Schuhe derart kuschlig gepolstert, dass der Fuß im Schuh sitzt wie in einem Sitzsack. Bei Brooks sind selbst die Schürsenkel knuffig. Deshalb sind meine Füße ungeheuer verwöhnt und sie fanden den on-Schuh innen ein bisschen steif und hart. Am Knöchel spürte ich den Schuhrand und das kann ich eigentlich nicht leiden.

Doch dann machte ich den ersten Schritt und die Skepsis war weggepustet. Kein Scheuern, keine Härte. Beim Gehen macht der Schuh ein Geräusch wie auf frischem Schnee, ein wenig knirschend (nur beim Gehen, beim Laufen ist der Schuh nahezu lautlos). Schon bei einfachen Gehschritten fühlt es sich an, als wäre man auf einer Tartan-Bahn unterwegs. Beim Laufen aber wird es wirklich großartig. Das Laufgefühl mit dem on ist unvergleichlich. Und das soll keine Floskel sein, ich wüsste wirklich nicht, welcher Schuh ein ähnliches Laufgefühl schaffen könnte. Vor vielen Jahren gab es mal eine tolle Kampagne für einen Schuh von Nike, den Nike Shox. Zum Laufen war der Schuh eine einzige Katastrophe, aber die Idee der kleinen Sprungfedern in der Ferse war hübsch. Und die Kampagne noch mehr: Der Slogan war einfach „Boing, boing“. Damit ist ja auch alles gesagt. Die wahren Boing Boings sind aber die Schuhe von on. „Laufenergie wird in Vorwärtsbewegung verwandelt“ behauptet on und ich kann dazu nur sagen: Stimmt.

On Cloudsurfer Test 3

Ich laufe mit den Schuhen ungeheuer leicht und auffallend ermüdungsfrei. Ich dotze auf Asphalt vorwärts wie ein Gummiball, auf Waldwegen sind sie (anders als gedacht) absolut trittfest. Man schwimmt keineswegs, im Gegenteil. Meine Füße fühlen sich jederzeit fest und sicher in der Spur. Bei Nässe haben die Schuhe einen überraschend guten Grip. Ich habe nie das Gefühl von „zu viel Sohle, zu wenig Boden“. Manchmal verkrampfen sich meine Füße bei neuen Schuhen nach etwa 15 Minuten etwas. Allerdings habe ich festgestellt, dass es nicht passiert, wenn der Schuh und ich wirklich zusammenpassen. Tatsächlich blieben beim on diese Anpassungsschwierigkeiten komplett aus. Es passiert genau das, was ich an tollen Laufschuhen so liebe. Ich vergesse einfach, dass ich sie trage. Ich vergesse, dass da Waben an der Sohle sind.

on Cloudsurfer Test 2

Dazu muss gesagt werden, dass es nicht einen on-Schuh gibt, sondern verschiedene Modelle für verschiedene Laufansprüche. Auch das erscheint mir sinnvoll. Wer schnell unterwegs ist, mag es etwas straffer und bodennäher, ein Laufanfänger braucht dagegen sogar noch mehr Gemütlichkeit als ich. Ich laufe mit dem sogenannten „Cloudsurfer“, ein Schuh der mittleren Kategorie, der durchaus Wettkampf-geeignet ist. Dafür dass der Schuh fast ein bisschen „schnell“ für mich ist, macht er meine lahme-Ente-Läufe ziemlich gut mit. Wer noch schneller sein mag, für den gibt es den Cloudracer und für die Natural-Schuh-Puristen gibt es mit dem Cloud einen ganz besonders flachen und flexiblen Schuh.

Für mich wäre mein on der absolut perfekte Schuh, wenn er innen speziell am Rand noch eine Idee weicher und besser gepolstert wäre. Für mich dürfte er auch vorn noch ein klitzekleines bisschen breiter sein, aber das ist ein Sonderproblem, ich habe Füße wie eine Graugans. Was Komfort und Laufgefühl bei verschiedenen Tempi betrifft, hatte ich noch nie Laufschuhe, die so viel Laufspaß gebracht hätten. Für mich ist der Cloudsurfer überragend und macht meinen geliebten Brooks große Konkurrenz. Hätt ich mich nur mal früher rangetraut! Hier nochmal zum Schnell-Lesen mein Ergebnis vom on-Cloudsurfer-Test:

on-Cloudsurfer Vorteile:

* Außergewöhnlich komfortables Laufgefühl bei verschiedenen Geschwindigkeiten

* Laufspaß, Laufspaß, Laufspaß

* Weniger Ermüdung (kein Quatsch!)

* Für Asphalt (ganz besonders) aber auch für Waldwege geeignet

* Kein Rutschen bei Nässe

* Ordentliche Passform (macht einen „schlanken Fuß“), für breitere Füße geeignet

on-Cloudsurfer Nachteile:

* Innen sehr fest und am Rand etwas starr

* Schnürsenkel können sich lösen

 

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11Antworten um “Boing, boing, boing.”

  1. Thomas Says:

    Glückwunsch zu diesem schönen, subjektiven 😉 Produkttest. So muss und kann es doch nur sein, oder? Jemand schreibt über seine persönlichen Erfahrungen mit einem Produkt und trägt somit ein kleines Puzzle-Teil zur hoffentlich richtigen (Kauf-) Entscheidung eines anderen bei.

  2. Boris Says:

    Hallo,
    Danke für den tollen Bericht. Ich habe mich auch zu einem ON Laufschu hinreissen lassen. Diser hat aber sehr viele Falten geworfen und die Bindung war sehr schlecht, ich hatte schon nach kurzer Zeit einen starken Druck auf dem Spann. Deshalb schicke ich den Schuh wieder zuück. Er war sehr leicht und sehr schön, aber die Funktion ist wichtiger wie das Aussehen.

  3. Henrik Says:

    Ui, die Heidi testet, das wir das noch erleben dürfen! Du hast mich jedenfalls endgültig motiviert, einen on zu probieren. Viel Laufspaß weiterhin mit dem Cloudsurfer!

  4. Ines Says:

    Danke für den Test. Hatte schon einige Zeit überlegt, ob es sich lohnt, es mal mit diesem Schuh zu probieren. Sieht ganz so aus. 😉

  5. Chris Says:

    Danke für diesen tollen Bericht! Hatte die ON schon im Laufladen an und war von Reinschlüpfgefühl und Passform sehr begeistert. Habe mich bisher aber noch nicht „getraut“ diesen ungewöhnlichen Schuh als Laufschhuh zu kaufen. Jetzt überlege ich immer mehr.

  6. Eddy Says:

    Krasser Scheiß! Von diesem Schuh hatte ich bislang noch nichts gewußt. Vor wenigen Wochen erst dachte ich, den für schwere Läufer wie mich optimalen Schuh gefunden zu haben – den es auch erst einige Jahre gibt: HOKA OneOne. Kennste? Einen ersten Bericht gibt es in meinem Blog. Und nun lese ich hier von diesem ON-Schuh. Boah. Muss ich auch mal ausprobieren. Aber erst mal wieder sparen. Jeden Monat neue Schuhe – das gäbe Ärger mit meiner Frau 😉

  7. Frauschmitt Says:

    Hallo Eddy,
    ja, den HOKA kenne ich, bin aber noch nie damit gelaufen. Hab ihn für mich als „Ultraläufer-Schuh“ abgespeichert, weil er so knuffelig ist. Der scheint mir aber WIRKLICH viel Schuh zu sein. Muss mal Deinen Bericht lesen ….
    Liebe Grüße!

  8. Thomas Says:

    Bei den Hokas kommt es wohl sehr auf das Modell an. Nach viel Schuh sehen die alle aus, aber die Cliftons sind spannende Leichtgewichte. Bericht auch auf meinem Blog… 😉

  9. claudia Says:

    wow, ich bin bisher diesem Modell gegenüber auch sehr skeptisch gewesen, einige Male im Laufladen in ide Hand genommen, diese Sohlenform mit Skepsis betrachtet und wieder ins Regal zurückgestellt, fand die Sohle einfach nicht wirklich symphatisch … aber nun, dank dir, Frauschmitt, werde ich ihn mehr mit Wohlwollen betrachten und anprobieren, zumal diese Farbkombi ausnahmsweise mal keine Augenschmerzen bereitet und ein Paar meiner älteren Treterchen ausgewechselt werden möchte/muss, genug Gründe, um ein Experiment einzugehen ;o) Danke für deinen Bericht….

  10. Christiane Says:

    Bin auch schon ein paar Mal um die Dinger rumgeschlichen, und habe nun auch einen Laden gefunden, der sie verkauft. Allein… ich brauche gerade echt keine Schuhe! Ist das nicht tragisch? Aber irgendwann werde ich die Dinger auch mal anziehen. 🙂 Danke für den Test!

  11. Bernd Says:

    Tach,

    motiviert von deinem Bericht habe ich mich für den minimalistischen Cloud entschieden. Ich trage sonst schon überwiegend Minimal-Schuhe, wie den Glove von Merrell und verschiedene Modelle aus der Mizuno Evo Serie.

    Der Cloud macht auf mich einen sehr guten Eindruck. Sehr bequem und die flexiblen Schnürsenkel sind etwas für faule Menschen wie mich. Die „Dämpfung“ hält sich ja nun wirklich in Grenzen, aber das weiss man ja vorher.

    Einziger Nachteil, den ich bisher feststellen musste: es setzen sich doch sehr leicht Steinchen und andere nicht nambare Dinge unter der Sohle fest. Da heißt es dann: stoppen, puhlen, weiterlaufen, stoppen, puhlen …etc. Wenigstens bringt man endlich mal was nach Hause mit, ausser Schweiss und Achselgeruch.

    Also für nichtasphaltierte Strecken scheint mir der Cöoud eher wenig geeignet zu sein. Allerdings sind die komischen Dinger unter der Sohle beim Cloud auch deutlich enger, als beim Cloudsurfer. Deshalb dürfte das bei dem letztgenannten wohl eher kein Problem sein.

    Viele Grüße Bernd


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