
„Bonames! Was ist denn das für ein Ortsname! Ist das eine Abkürzung?“ Hat mich vor ein paar Tagen eine Ortsfremde gefragt. Tatsächlich, es könnte gut eine Abkürzung sein. Für „Boxwütige Nachbarn machen Essig“ zum Beispiel. Oder „Bodenlose Naturisten mit Essstäbchen.“ Aber so naheliegend diese Erklärungen auch sind: Bonames heißt einfach so. Ohne Abkürzung. Das könnte von „Bona mansio“ kommen, sagt Google, was soviel bedeutet wie „gute Raststätte“. Damit das Rasten auch so richtig gut wird, laufen wir vorher dort eine Runde.
Ich wähle heute die kleine, die 10er Strecke. Die 15er ginge sicher auch, aber ich bin noch in der Schonzeit. Mit dem Kopf durch die Wand ist kein gutes Gesundheitsrezept. Wir sind mal wieder zu früh und staunen über die Sonne. Weil noch soviel Zeit bis zum Start bleibt, mache ich innerlich repräsentative Erhebungen zur Häufigkeit von Schuhmarken. Erwartungsgemäß liegt Asics vorn, aber nur leicht. Sie werden dicht gefolgt von Brooks, die wiederum von Adidas und Nike gejagt werden. Mizuno ist hier und heute in Bonames zurückgefallen. So nützlich kann man sich die Zeit vertreiben.
Ich begleite meinen Trainingspartner schließlich zum Start der 15km-Läufer, der etwas entfernt von den Umkleiden liegt. Auf der kleinen Wiese am Flüsschen Nidda werden ordentliche Aufwärmübungen durchgeführt. Unter Anleitung, versteht sich.
Halbherzig lüpfe ich ab und zu ein Gliedmaß (Was ist eigentlich der Singular von Gliedmaßen?) und bin vor allem besonders engagiert, wenn es ans Lockern und Ausschütteln geht.
Nach dem Startschuss trabe ich wieder zurück zu den Umkleiden, um eine Geheimtoilette aufzusuchen. Bei ca. 40% aller Volkslaufveranstaltungen gibt es Geheimtoiletten, deren nähere Ortsbestimmung ich hier aus naheliegenden Gründen nicht preisgeben will. Geheimtoiletten werden deutlich weniger frequentiert als die anderen. Zum Glück machen sich viele nicht die Mühe, sie zu suchen. Nichts hat eben eine so große Anziehungskraft, wie eine einzelne Kabine in der Umkleide, deren Abfluss unter akutem Burn out-Syndrom leidet.
Danach trabe ich wieder zurück, um das selbe Aufwärmprogramm noch einmal zu simulieren. Der Start ist ein bisschen knäulig. Anders als gedacht, laufen doch eine ganze Menge Menschen den 10er. Das ist relativ: gemessen am JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf, der in diesen Tagen in Frankfurt stattfindet, ist eine Teilnehmerzahl von 150 natürlich ein Witz. Und auch dieses Knäulen in Bonames ist ein Zustand, den man sich beim JP Morgan Dingens nur inständig herbeisehnen kann. (Genauso toll wie diesen Lauf finde ich übrigens dessen Motto: „Jogging statt Mobbing“. In Wahrheit habe ich noch nie so viele rücksichtslose, aufgeblasene, rabiate und pampige Vollhorsts auf der Strecke gesehen, wie bei diesem herzerwärmenden Firmenlauf. Aber das wäre ein eigenes Thema.) Zurück zu Bonames.
Wir traben durch die Felder und die Sonne brennt uns ordentlich auf die Nuss. Wie lange haben wir darauf gewartet! Ich achte beim Laufen darauf, dass mein Becken nach oben gekippt ist, wie es Danny Dreyer beim Chirunning erklärt. Andernfalls wird Chi verschüttet und wer will das schon. Tatsächlich versuche ich ein paar der Chirunning-Grundsätze anzuwenden, was nicht immer und ohne weiteres funktioniert. Aber es lenkt gut von anderen Dingen ab. Schon nach kurzer Zeit kommen wir an einen Wendepunkt – die 10er Strecke hat eine kuriose Schleife eingebaut. Wendepunkte sind super. Noch schöner wäre es, dieser hier würde bereits die Hälfte der Strecke markieren, aber man kann nicht alles haben. Wetter, Chi UND einen Wendepunkt in der Hälfte.
Die Strecke ist ungeheuer grün und beinahe schattenlos. Es riecht nach Mist und Felder und Fluss ziehen an uns vorbei. Mehrfach überhole ich eine blonde Läuferin, die eine erstklassige B-Note verdient. Outfit, Haltung, toll. Sie schnauft nicht einmal besonders. Während ich in halbgarer Chirunning-Manier mit kleiner Schrittfrequenz neben ihr her tapse. Leider läuft sie ungleichmäßig, weshalb es zu den wiederholten Überholmanövern kommt. Dabei habe ich eigentlich lieber sie vor mir, als den Herrn mit dem Singlet und den plüschigen Schultern, der immer wieder vor mir auftaucht.
Ich quäle mich ein bisschen. Zwar bin ich nicht schnell unterwegs, aber es ist doch ziemlich warm und ich korrigiere immer wieder meine Haltung. Bei km 8 scheint die blonde Dame endgültig die Oberhand zu gewinnen. Ich will jetzt nicht nachlegen, schließlich weiß ich, dass die letzten 500 Meter noch eine hübsche Steigung parat halten. Irgendwann ist dann aber doch alles egal. Ich verschütte eine Menge Chi, laufe an der Dame vorbei und nehme die Steigung ganz gut. Sie bleibt mir auf den Fersen und ich muss zu einem kleinen Endspurt ausholen. Das wollte ich zwar nicht, aber was soll man denn machen, wenn gut aussehende Blondinen hinter einem her federn? Ich halte sie hinter mir und stürze noch mit einer 55er Zeit ins Ziel. Mit kleinen Schritten, auf kurzen Strecken versuche ich wieder eine ordentliche Läuferin zu werden.
Ich möchte niemandem zu nahe treten. Aber ich habe nun mal schon viel Streuselkuchen nach Volksläufen gegessen. Man muss den Dingen ins Auge sehen: der aus Bonames ist der Beste. Zwar wird er inzwischen nicht mehr unter großen alten Bäumen feilgeboten, aber dieses Kuchenangebot ist nach wie vor ungeschlagen. Bonames – twelve points.
Wir sitzen in der Sonne und genießen. Ich bin gerade zwei Umkleidentalk-Königinnen durch Flucht entronnen und der Kaffee schmeckt. Ein Mann verteilt Broschüren für Laufseminare. „Wie heißt denn Du?“, fragt der Nachbartisch. „Ich bin in der Broschüre“, sagt der Mann geheimnisvoll. Der Nebentisch klappt das Heft auf, deutet auf die abgebildete Person und ruft begeistert: „Du bist Annie Friesinger!“. So endet ein perfekter Lauftag. Mit meinem Lauf in dürftigem Tempo werde ich immer noch 20. Frau von 51. Der Sommer kann kommen.
[stextbox id=“info“ color=“696969″ bcolor=“778899″ bgcolor=“fffaf0″]Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s beim TSV Bonames.[/stextbox]
Juni 3rd, 2010 at 23:24
Endlich. Frau Schmitt läuft wieder! Toller Bericht über den Frankfurter Stadtteil, dessen Name mich in der Aussprache immer an eine gelbe, mastige Soße erinnert (heißt glaub ich „Bärnees“). Aber das geht sicher nur mir so.
Was ist denn ein Singlet und was kann ich mir unter plüschigen Schultern vorstellen? Ich muss mal wieder joggen gehen, dann steh ich auch nicht so auf der Leitung. Verschütte aber sicher ständig mein Chi, hihi…
Juni 3rd, 2010 at 23:42
Ein Singlet ist ein Laufhemdchen ohne Ärmel. Sowas hier: https://sports.engelhorn.de/sportarten/running-triathlon/bekleidung/herren/shirts/t-shirts-traegershirts/rono-herren-laufsinglet-loft-mm-singlet–71977–36181–902/
Naja, und wenn es ohne Textil trotzdem plüschig ist, dann kann das nur noch an der körpereigenen Ausstattung liegen. Marke: Neandertal. 🙂
Juni 4th, 2010 at 08:38
Aha, danke, wieder was gelernt…aber „plüschig“ ist sehr euphemistisch ausgedrückt für so Steinzeitbehaarung.
Juni 6th, 2010 at 10:40
Toller Bericht und tolle Bilder.
Mir ist aufgefallen, dass Du 2 „sportliche“ Bilder hast und 4 Bilder vom Kuchenbuffet & Bierausschank 🙂
Weiter so!!!
Juni 6th, 2010 at 13:50
Ich hab jetzt nochmal „sportliche“ Bilder nachgelegt. Aber nur weil sie so schön grün waren und die Menschen am Getränkestand so nett 🙂
Juni 6th, 2010 at 20:04
Danke für Bericht und Bilder! Ich war auch dabei, und meine Tochter hat Bier mit ausgeschenkt. Du hast sie auf dem Foto vom Bierstand mit erwischt, von hinten in hellgrünem Shirt, wo sie gerade was rüberlangt. Jaja, die netten Leute vom Getränkestand… 😉
Ich mag diese Veranstaltung sehr! Nächstes Jahr wieder. Schade, dass wir uns nicht getroffen haben.
Juni 6th, 2010 at 22:16
Ja, schade! Nächstes Jahr müssen wir uns mal ordentlich verabreden.
Juni 8th, 2010 at 13:03
Der Kuchen ist bei euch tatsache unschlagbar, zumindest optisch, und das scheint er ja auch zu halten. Unter der brandenburger und berliner Läuferbegleitgemeinde sind zwar bestimmt auch gute Bäckerinnen und Bäcker, aber sie verraten es uns einfach nicht, hier gibts meist Currywurscht und so was Herzhaftes, auch gut, aber ….
Falls ich irre, bitte Laufort bzw Veranstaltung verraten!
Danke für den schönen und gelungenen Laufbericht, macht immer wieder spaß, deine Laufgeschichten zu lesen! Und Motivation isses obendrein 😉