„Der Color Run ist eine Lifestyle-Entscheidung“ – das habe ich neulich auf einer bemerkenswerten Homepage gelesen. Falls ihr nicht wisst, was ein Color Run ist (außer einer Lifestyle-Entscheidung): Es handelt sich dabei um einen Fun-Lauf, bei dem man mit einem weißen T-Shirt startet und nach jedem Kilometer mit einer anderen Farbe bestäubt wird, als wäre man ein Softeis, das dringend ein Topping braucht. Nun hat mir bei meinen Läufen schon so manches gefehlt. Motivation, Wasser, Ausdauer, Luft, Kraft, eine Mütze, eine Sonnenbrille, ein Klo, Gesellschaft, Stille, ein Blasenpflaster, ein Halstuch, Rückenwind, ein besseres Haargummi, Zeit, Geduld, mehr Grip, was zu essen, meine Uhr, Orientierung. Aber noch nie (!) hätte ich jemals Farben vermisst. Denn die gibt es beim Laufen reichlich und normalerweise ohne, dass man davon husten muss. Da gibt es die grünen Läufe im Frühjahr, wenn nach einem Regen Milliarden neongrüner Blättchen zeitgleich aus den Ästchen kriechen. Die rotgoldenen im Herbst, wenn der Wald die Farbpalette zückt. Die blau-grünen Läufe durch saftige Wiesen mit reichlich Horizont. Und natürlich die seltenen, aber entzückenden weißen Läufe, wenn es durch den Schnee geht und sich die Flocken als Blickrahmen auf die Wimpern setzen. Und das sind nur ein paar der unzähligen jahreszeitlichen Schattierungen. Natürlich gibt es auch die grauen Asphaltfresser-Läufe, die nur durch den Blick auf die eigenen multicolorierten Schuhe bunter werden. Und wir haben noch nicht über die Morgenläufe gesprochen, bei denen man in Anthrazit startet und in einer neblig pastellfarbenen Häuserlandschaft ankommt, die aussieht wie ein Aquarell. Die überragenden Abendläufe, bei denen es durchs leuchtend Rosafarbene geht, bevor man ins Dunkelblaue eintauchen kann. Und natürlich gibt es noch die Farbexplosion eines City-Laufs – ein riesiger Catwalk, der alle Farben aufbietet, die Kaffeeröster, Discounter und Markenhersteller in den letzten Jahren in die Läden geschoben haben. Gelb ist das neue Orange ist das neue Grün. Wer’s monochromer mag, hat Glück, wenn er über zwei XX-Chromosomen verfügt – Frauenläufe sind ein wahrer Traum in Pink. Beim Laufen ist man schnell genug, um viele wechselnde Szenerien zu erleben und langsam genug, um jede prall blühende Pflanze, jede gewagt gestrichene Häuserfront genau wahrzunehmen. Farben, Gerüche und Geräusche sind die Gewürze eines jeden Laufs. Ohne, dass man dafür jemals eine Lifestyle-Entscheidung treffen müsste. Zum Glück.
Titelbild © Jordane Mathieu – unsplash.com
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