Kinder brauchen Vorbilder. Damit sie in die richtige Richtung wachsen, wie die Sonnenblumen. Weiß jeder. Was aber weniger bekannt ist: Auch Erwachsene brauchen Leute, die sie cool finden und die etwas tun, was sie vielleicht auch gern mal tun würden. Woher aber nehmen und nicht stehlen? Händeringend gesucht werden vor allem Vorbilder für Frauen, insbesondere im Marathonsport. Zwar liegt der Frauenanteil im Deutschland-Durchschnitt inzwischen bei 25%, das ist eine Steigerung von sagenhaften 7% im Laufe der letzten zehn Jahre. Würde das allerdings auch nur annähernd das Geschlechterverhältnis der Bevölkerung abbilden, müssten die Deutschen wohl auf die Liste der bedrohten Arten. Es ist noch mächtig Luft nach oben beim Frauenlaufen. Nun könnte man sich als geneigte Frau einfach ein Poster von Tirunesh Dibaba an die Wand hängen oder ein Mary Keitany-Foto als Bildschirmschoner einrichten. Aber das ist es nicht. Unsere Lebenswirklichkeit ist eine andere. Wir sind nicht als Kind täglich ohne Schuhe von Wattenscheid in die Schule nach Gelsenkirchen gelaufen. Auch die deutschen Hahner-Zwillinge helfen uns da nicht weiter. Frauen brauchen Vorbilder, keine Influencer. Heldinnen, die siegen, scheitern, leiden und wieder aufstehen. Eine Steffi Graf des Laufsports, das wär’s. Die aufhorchen lässt. Weil sie so normal wirkt, dass Frauen das weibliche Marathonlaufen endlich nicht mehr für außerirdisch halten.

Vor genau 35 Jahren, am 5. August 1984, fand der erste Marathon der Frauen bei Olympischen Spielen statt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Herren der Neuzeit schon 90 Jahre lang über die olympische Marathondistanz getrabt. 1930 nannte der britische Sportjournalist Harold Adams Läuferinnen „eine Schande für die Weiblichkeit und eine Gefahr für alle Frauen“. Mediziner gingen damals fest davon aus, dass die Gebärmutter nach einigen Kilometern mit einem „Ich bin dann mal weg“ kurzerhand den Ausgang gen Süden nehmen müsste. Nun hätte ich zwar bei etlichen Marathons unterwegs gern irgendwie Ballast abgeworfen, aber ich bevorzuge doch mit der gleichen Anzahl an Innereien anzukommen, mit der ich losgelaufen bin. Bislang ist das gottlob immer geglückt. Vielleicht liegt in dem sagenumwobenen Organ ja aber auch der Schlüssel zum Vorbild-Dilemma: Es sollten mehr Mütter an den Start gehen, die ihren Töchtern zeigen, was Frauen können, wenn sie nur wollen. Bei Umfragen unter jungen Erwachsenen wird die eigene Mutter als Vorbild Nr. 1 genannt. Personen des öffentlichen Lebens liegen weit abgeschlagen dahinter. Liebe laufende Mamas, meldet euch bei Marathonläufen an! So kann’s in einigen Jahren doch noch etwas werden mit den 50% Frauenanteil bei Wettbewerben über 42,195 Kilometer.

Titelbild © RUN 4 FFWPU – pexels.com


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