Ältere Menschen sprechen gern über ihre Verdauung. Ich bin jetzt in einer Vorstufe dazu angekommen. Ich spreche gern über meinen Schlaf. Der Fokus hat sich dabei merklich verschoben. Früher ging es um das mit wem und wo, heute um das wie lange und wie. Wenn ich es recht bedenke, gibt es überhaupt nur eine Sache, die einem das Laufen zuweilen madig machen könnte: Dass man dafür seinen Schlaf beenden muss.

Gelegentlich versuche ich das zu umgehen, indem ich beim Laufen weiterschlafe. Erst beim Ankommen, also nach der morgendlichen Laufrunde, bin ich dann wach. Aber sich bei Wind und Wetter trottend vorwärts zu bewegen, die Augen auf Halbmast, die Schritte klein und leise wie die einer Geisha – es ist nicht dasselbe wie in rollmopsiger Haltung in Biber-Bettwäsche zu verharren, bedeckt bis zur Nase wie ein Nilpferd im Schlamm.

Ich schlafe leidenschaftlich gern. Und das obwohl man ja währenddessen überhaupt nichts davon hat. Wenn man wenigstens merken würde, wie gut man gerade schläft! Wer würde sich schon als Feinschmecker bezeichnen, nur weil er hinterher satt ist! Manchmal weiß man noch etwas von seinen Träumen, was aber nicht unbedingt ein Zeichen guten Schlafs sein muss. Läufer teilen sich ihre Träume mit anderen Läufern. Die Details wechseln, der Plot bleibt. Läufertraum Nr. 1: Man will zu einem Lauf antreten, hat aber Wesentliches vergessen. Hosen oder Schuhe. Variante: Man tritt plötzlich bei einem Lauf an und ist nicht im Mindesten dafür trainiert. Weitere Variante: Man verpasst den Start, alle sind schon weg und man versucht das Feld einzuholen. Schauspieler träumen, auf der Bühne zu stehen und nicht einmal zu wissen, welches Stück gegeben wird. So ist das eben. Wir sind alle kleine Sensibelchen und haben Angst, unsere Sache nicht gut zu machen.

Meistens aber habe ich keine Ahnung, ob ich nachts möglicherweise virtuell gelaufen bin. Schade eigentlich. Was könnte man hinterher schöne Laufberichte schreiben! Meinen Schlaf kontrolliert derzeit zwar eine App, aber die weiß nichts von Träumen. „Schlafqualität 80 %“ wirft sie mir morgens etwa aus. Damit bin ich genauso schlau wie vorher. Aber es beflügelt den Ehrgeiz. 100 % habe ich bislang nur einmal geschafft, ich arbeite jetzt an einer weiteren perfekten Nacht. Warme Milch am Abend, ein Spaziergang, das ganze Programm. Bislang ohne Erfolg. Stattdessen sagt die App manchmal: „Achtung: wenige Bewegungen!“ Auch damit kann ich nichts anfangen. Ich dachte immer, es sei der Witz beim Schlafen, dass man möglichst nicht rotiert wie ein Grillhähnchen. Kürzlich lief ich 34 km, in der Nacht darauf beschwerte sich die App über zu wenig Bewegung. Hallo?

Manchmal benutze ich eine Schlafbrille. Es hat eine Weile gedauert, eine zu finden, die einen nach mehrstündiger Benutzung nicht aussehen lässt wie einen magenkranken Lemuren.

Das Koma-artige Schlafen ist mir in Wahrheit ohnehin das Liebste. Das, was einen morgens im Spiegel aussehen lässt, als sei man noch einmal durch einen Geburtskanal gedrückt worden, mit allen Folgen für die Gesichtszüge. Nur wenn ich völlig beknackt aussehe, habe ich wirklich gut geschlafen. Manchmal benutze ich eine Schlafbrille. Es hat eine Weile gedauert, eine zu finden, die einen nach mehrstündiger Benutzung nicht aussehen lässt wie einen magenkranken Lemuren. Aber sei’s drum, ich muss mich ja wegen meiner Bemühungen um guten Schlaf nicht schämen.

Gleich am Anfang meiner Laufkarriere habe ich gelernt, dass man pro 10 km mehr in der Woche 15 Minuten in der Nacht länger schlafen soll. Wer also den Wochenumfang von 40 auf 60 km erhöht, braucht eine halbe Stunde mehr Schlaf pro Nacht. Ich kann das nur bestätigen. In der Marathonvorbereitung verwandle ich mich in ein Schlaf-Fress-Monster. Ich habe immer Hunger und sacke bei den Tagesthemen weg. Allein schon deswegen könnte ich nicht oft Marathon laufen, der praktisch nahtlose Übergang von Laufen, Essen und Schlafen lässt Sozialleben und Produktivität auf Dauer zum Erliegen kommen. Obwohl selbst das ein genießenswerter Zustand sein kann.

Der durchschnittliche Mensch verbringt mehr als 25 Jahre seines Lebens im Schlaf. Egal, wie die Sache also ausgeht – am Ende unseres Lebens werden wir mit etwas Glück sagen können: Wir hatten 25 gute Jahre. Das ist doch schon mal was.

Titelbild: ©Chacha8080 – pixabay.com


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3 Kommentare

  1. Das kann natürlich eine BEgründung dafür sein warum ich meist so fürchterlich müde und mehr Schlaf wie meine Frau benötige.

  2. und weil ich mich grad in der winterschlafphase befinde kommt recht spät mein kommentar: viel gelacht besonders bei der geburtskanalschilderung!!!! Ich hab schon immer viel und gerne geschlafen, deshalb gehts selbst manchmal nicht viel über die tagesschau hinaus (muss aber auch mordsmäßig früh aus den federn mit 4:30 fünfmal die woche …). in marathonvor- und nachbereitungsphasen ist dies digitale aufnahmegerät am fernseher mein freund, der alle schönen filmchen aufzeichnet und auch schon 19 uhr das beschauen nicht nur sinnentleerter vorabendlicher tv-serien ermöglicht…gut lauf und schlaf immer schön rufts mal wieder aus berlin!!!claudia

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