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Von Tropenwäldern, Erzfeinden und Erfrischungsräumen.

Von Tropenwäldern, Erzfeinden und Erfrischungsräumen.

Der Melibokuslauf (2007)

Seit 38 Jahren kaufen sich Menschen eine Startnummer, laufen eilig auf einen etwa 500 Meter hohen Berg, obwohl dort niemand auf sie wartet und laufen dann ohne eine Rast wieder herunter. Traditionen sind nicht unbedingt dazu da, verstanden zu werden.

Heute will ich einer von diesem Menschen sein und auf den Melibokus an der Bergstraße laufen. „Es ist ein Berglauf“, sagt der Moderator am Start. „Es geht also erst rauf und dann wieder runter.“ Dass es dabei auch mal runter geht, wenn man eigentlich doch nach oben will und rauf, wenn man längst auf dem Weg nach unten ist – das verschweigt er lieber.

Melibokuslauf-Profil

Es ist mein vierter Volkslauf in zwei Wochen und da die letzten Läufe nicht zu meinen Glorreichsten gehören, sollte ich wohl besser nicht zu viel erwarten. Trotzdem fühlt sich irgendwie alles gut an. Kann man heutzutage noch auf Gefühle hören? Beim Melibokuslauf wird man schon am Start mit Getränken versorgt. Das hängt damit zusammen, dass Start und Anmeldung ein gutes Stück voneinander entfernt sind. Mal eben schnell noch ein Schluck aus der Trinkflasche nehmen – Fehlanzeige. Aber wie gesagt, dürsten muss hier keiner. 20er und 10er starten gemeinsam. In diesem Jahr sind keine Sportler da, die sich auf zwei Stöcke stützen müssen – das ist angenehm, zumal die Strecke eingangs etwas eng ist.

Gleich nach dem Startschuss geht es ordentlich bergauf. Mein Trainingspartner und ein Bekannter, die mit mir starten, rasen den Berg hoch. Davon will ich lieber mal absehen. Ich bin ein Mädchen und die sind ja vernünftig. So schaukle ich gelassen vor mich hin. Ich will mal wieder einen Lauf haben, bei dem ich nicht auf dem letzten Loch pfeife. Bei km 5 habe ich das Gefühl, heute könnte es so ein Lauf werden. Alle fünf Kilometer gibt es Wasser und es schmeckt und erfrischt. Der Wald wirkt ein bisschen tropisch, nach dem Regen der Nacht ist die Luftfeuchtigkeit ganz ordentlich. Die Natur atmet durch und die Läufer um mich herum atmen hörbar mit.

Melibokuslauf-Logo

In langgezogenen Serpentinen laufen wir nach oben. Es geht mir gut. Das habe ich mir bei km 10 schon lang nicht mehr gesagt. Wie schön ist das. Einen Läufer im maisgelben Shirt habe ich gerade hinter mir gelassen, als der „richtige“ Anstieg beginnt. Knapp vier Kilometer muss man jetzt beißen. Es wird steil. Plötzlich entdecke ich den Erzfeind. Der Erzfeind ist ein unbekannter Läufer mit Flatterhose. Er ist nicht etwa mein Erzfeind, sondern der meines Trainingspartners. Peter Greif würde sagen, sein Holger Meier. Jemand, an dem man sich messen kann. Der Erzfeind ist eigentlich viel zu schnell für mich, warum turnt der nur hier hinten rum? Vielleicht ist es ja einfach ein kleines Präsent meines Trainingspartners, der mir für heute seinen Erzfeind ausgeliehen hat. Das finde ich nun wieder sehr aufmerksam und hefte mich an die Erzfeind-Fersen. Leider muss ich jetzt gerade Mr. Maisgelb wieder an mir vorbeiziehen lassen, der am Berg schneller ist als ich. Auch der Erzfeind zieht jetzt mächtig an. Auf Gegner ist einfach kein Verlass.

Das alles trübt meine Stimmung aber nicht wirklich. Der Wald dampft, der Boden ist weich und bald bin ich ja auch oben. Brennessel strecken immer wieder ihre blättrigen Arme nach meinen Beinen aus, aber zum Glück ist der Weg breit genug, um ihnen auszuweichen. Eine angekündigte Schlammpassage erweist sich als harmlos – es quietscht ein bisschen unter den Schuhen und dann ist es auch schon vorbei. Bei Kilometer 13,5 ist es geschafft – ich bin oben. Ich schieße gleich wieder nach unten, vorbei an etwas Maisgelbem, was ich sicher als meinen Gegner erkannt hätte, wäre ich nicht so schnell gewesen.

An einer Holzhütte mitten im Wald steht auf einem Schild „Erfrischungsraum“. Aber das Schild ist leider immer da und nicht für uns Läufer aufgehängt worden. Das Wort „Erfrischungsraum“ begleitet mich über den nächsten Kilometer und bekommt etwas Magisches. Als es bei km 15 noch einmal etwas zu trinken gibt, bin ich froh. Man kann rennende Wesen schließlich nicht kilometerlang ohne Getränke lassen, wenn sie an das Wort „Erfrischungsraum“ denken müssen. Ich schiebe die Ellenbogen zum besseren Rudern nach außen und gebe Gas. Bis zum Getränkestand hatte ich den Erzfeind noch im Blick, aber jetzt läuft er mir einfach davon. Egal. War ja eigentlich sowieso nicht meiner.

[stextbox id=“info“ float=“true“ align=“right“ color=“696969″ bcolor=“f4a460″ bgcolor=“f5f5f5″]Später nochmal lesen? Hier gibt’s eine Druckversion als PDF.[/stextbox]

An einer Weggabelung verlaufe ich mich beinahe. Den Streckenposten gibt hier nämlich ein quergelegter Ast und quergelegte Äste haben für mich einfach keinerlei natürliche Autorität. Aber dann brüllt jemand hinter mir „Links“ und wir laufen alle artig links – bergauf. Eine weitere Berghoch- passage gibt es ein paar hundert Meter weiter, diesesmal beinahe einen Kilometer lang. Meine Beine sind müde, das merke ich jetzt. Aber den anderen geht es genauso, und ich weiß ja, dass es gleich wieder bergab gehen muss. Ich zische an den Bäumen vorbei und versuche einfach nur noch, nicht auf die Nase zu fallen. Läuferregel Nr. 256: Ein schlaffes Bein knickt gern mal ein. Aber mit etwas Konzentration geht alles gut und ich komme heil unten an. Die Uhr bleibt bei 1:51:55 stehen. 19,6 km lang ist die Strecke, 440 Höhenmeter sind zu nehmen. Der letzte hitzige Volkslauf liegt erst drei Tage zurück. Ich bin zufrieden und froh, dass es endlich wieder rund lief. Ich trinke gefühlte 28 Becher Tee und Wasser. Meine entfesselten Mitläufer sind ebenfalls gut durchgekommen und strahlen so wie ich. An einem Brunnen waschen wir uns die verklebten Beine und das Gesicht. Das Leben kann so schön sein.

Während wir unseren Kuchen mümmeln (wobei die Bratwurst schon in den Startlöchern steht) erfahre ich, dass ich Erste meiner Altersklasse geworden bin. Keine Ahnung von wie vielen, es war ja ein kleiner Lauf. Aber egal: ich bekomme eine Urkunde und ein graviertes Trinkglas. Zuhause angekommen stelle das Glas stolz in den Glasschrank in der Küche. Vielleicht sollte ich sie ab heute „Erfrischungsraum“ nennen.

Melibokuslauf-Kuchen Melibokuslauf-Wuerstchen

[stextbox id=“grey“]Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s unter: www.turnverein-1898-alsbach.de[/stextbox]

 

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