In diesem Jahr habe ich viel weniger Volksläufe gemacht als sonst. Die Fersen wollen nicht so recht. Vor lauter Sehnsucht habe ich einen Text geschrieben, der die zehn gängigsten Typen bei Volksläufen beschreibt. Langjährige empirische Studien haben mich dazu gebracht, gerade diese zehn herauszufischen. Bestimmt seid
ihr auch dabei.
1. Die Zausel
Der Zausel ist typischerweise männlich, zwischen 60 und 80 Jahren alt, unrasiert und trägt das verbliebene Haar im Kopfkissenlook. Er ist klein, sehnig, zäh, bevorzugt ein verblichenes T-Shirt mit dem Aufdruck „Dumpelheimer Wiesenultramarathon 1982″ o.ä. und Schuhe aus dem Nachlass von Spiridon Louis. Zausel riechen oft säuerlich, sind aber rücksichtsvoll, hilfsbereit, freundlich und gutgelaunt.
Motivation: Karl, Horst und Dieter treffen.
Liebster Lauf: Ein Lauf auf dem Land, bei dem er auf Karl, Horst, Dieter und Streuselkuchen trifft.
Typischer Satz: „Ich sag immer: meine Anneliese läuft net mehr – aber meine Arthrose läuft noch!“
2. Die Einmaligen
Die Besuche der Einmaligen in der Volkslaufgemeinde sind Stippvisiten. Sie haben eine Wette verloren, oder wollen sich aus anderen Gründen beweisen. Sie haben den Artikel „In 3 Tagen zum Marathon unter 3 Stunden“ in der „Hedgefond-Week“ gelesen und fühlen sich jetzt für jede Herausforderung bestens gerüstet. Nach ihrem Lauf, den sie nach eigenen Aussagen „wegen Übertraining“ abbrechen müssen, oder in 5:30 Stunden absolvieren, werden sie nie wieder gesehen.
Motivation: Die Medaille.
Liebster Lauf: New York City Marathon. Alles andere ist popelig.
Typischer Satz: „Wieso muss ich so weit hinten starten?“
3. Die Dampfplauderer
Dampfplauderer durchkämmen das Feld mit suchendem Blick. Ihr Ziel: ein Opfer. Während des Laufs pirschen sie sich an dieses heran, um dann das Feuer zu eröffnen. Die Antwort auf eine scheinbar harmlose Frage nimmt der Dampfplauderer zum Anlass, auf sein Opfer einzuplaudern. Die Themen: Laufen und Verletzungen,
Verletzungen und Laufen.
Motivation: Über Laufen und Verletzungen reden.
Liebster Lauf: Lange Waldläufe ohne störende Anfeuerung.
Typischer Satz: „Ich bin so froh, dass ich hier laufen kann, nächste Woche muss ich wieder unters Messer!“
4. Die Novizen
Die Novizen erkennt man an ihren Augenringen. Bereits etliche Nächte vor dem großen Ereignis finden sie keinen Schlaf mehr. Die Frage, wie viel und wann sie während des Laufes essen und trinken müssen, bringt sie an den Rand der nervlichen Zerrüttung. Sie reisen mit einer 10kg schweren Sporttasche an, haben aber das Handtuch vergessen.
Motivation: Ankommen.
Liebster Lauf: Benefizläufe über 5km.
Typischer Satz: „Was tue ich mir da nur an? Ogottogottogott!“
5. Die Vereinsmeier
Der Vereinsmeier ist ein laufendes Facebook, nur ohne Datenschutzprobleme. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Er sucht die schönsten Läufe heraus, organisiert Mitfahrgelegenheiten, holt morgens um sieben die Startnummern für alle ab und bietet seine Dienste als Pacemaker an. Ohne die hohe soziale Frustrationstoleranz von Vereinsmeiern funktioniert keine (Lauf-)Gemeinschaft.
Motivation: Die Scheidung vergessen.
Liebster Lauf: Ein Lauf, bei dem man hinterher stundenlang zusammensitzen kann.
Typischer Satz: „Alle mal herhören: braucht jemand ein Blasenpflaster? Ich hab‘ hier welche.“
6. Die Wissenschaftler
Die Wissenschaftler haben sich eine Excel-Tabelle mit ihren Trainingsdaten gebaut. Damit fällt es ihnen leicht, Herbert Steffny zu widerlegen. Alle anderen sowieso. Sie probieren selbstgepanschte Gels, das Warm up von tibetischen Gurus und nutzen alles, was an Technik auf dem Markt ist. Wissenschaftler sind selten auf den vorderen Plätzen der Ergebnisliste zu finden. Aber sie wissen immer woran es gelegen hat.
Motivation: Eine neue Taktik ausprobieren.
Liebster Lauf: Egal.
Typischer Satz: „Den Cooper-Test halte ich für völlig überbewertet.“
7. Die Singles
Singles kommen allein, laufen allein und gehen wieder allein. Freundschaft finden sie in einem Geflecht aus Ritualen, in das sie in der Umkleidekabine sofort eintauchen. Sie haben eigenwillige Gewohnheiten und neigen zu auffälligem Lauf-Outfit, etwa freiem Oberkörper, Wanderstiefeln oder geblümten Sporthosen. Da die Volkslaufgemeinde jeden so sein lässt, wie er mag, finden Singles immer ihren Platz.
Motivation: Unbekannt.
Liebster Lauf: Unbekannt.
Typischer Satz: „Ist hier noch frei?“
8. Die Tiefstapler
Tiefstapler sind in der Regel gute Läufer, die ihren Ehrgeiz verbrämen. Während tiefstapelnde Frauen von immenser Gewichtszunahme berichten, verkünden männliche Tiefstapler voller Bedauern, dass sie am Vorabend das siebte Weizen einfach nicht ausschlagen konnten. Beides hat das gleiche Ziel: dem bevorstehenden Erfolg mehr Glanz zu verleihen.
Motivation: Hoch.
Liebster Lauf: Nicht zu große Läufe mit der Chance auf eine Altersklassen-Platzierung.
Typischer Satz: „Ich will heute wirklich nur ein bisschen auslaufen.“
9. Die Ladys
Ladys sind das weibliche Pendant zu den Zauseln. Erstaunlicherweise sind Ladys und Zausel jedoch nie miteinander verheiratet. Sie haben jeweils nichtlaufende Partner, für die sie nach dem Lauf in einer mitgebrachten Tupper-Dose Kuchen horten. Ladys sind über 60, mädchenhaft, zupackend und fröhlich. Sie treten nie einzeln auf.
Motivation: Dem Enkel eine neue Medaille mitbringen.
Liebster Lauf: Kleine, verwegene Läufe auf dem Land.
Typischer Satz: „Ich muss heut‘ net so schnell sein, ich hab gestern vorgekocht.“
10. Die Väter
Väter haben früher mal Handball gespielt. Aber dann kam der Reihenhausbau. Und die Kinder. Jetzt sind die Väter etwas hüftstark. Aber seit sie Achim Achilles lesen, fühlen sie den sportlichen Ehrgeiz zurückkommen. Väter lassen sich immer von ihrer Familie begleiten, die im Ziel bewundernd „Da kommt der Papi!“ ruft.
Motivation: Beim Grillfest mit Freunden etwas erzählen können.
Liebster Lauf: Einer in der Nähe.
Typischer Satz: „Danke Schatz, es geht schon wieder.“
(Erschienen in der Runner’s World Juni 2011)
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15 Kommentare
Ein schöner Klassifizierungsversuch, wenn es mich auch trifft am ehesten zu den Dampfplauderen zu gehören.Wenn ich darüber nachdenken fallen mir noch die Ehrgeizlinge ein (die aus dem Greif-Club), die Schönlinge, die richtigen Sportler (die aus der MHK, die mit stundenlangen Vorsprung gewinnen) und die Frauen zwischen 35 und 50, die noch keine Ladies sind. Aber irgendwie wird es dann zu komplex.Jörg
Gut getroffen…Sind mit den Fersen die Achillessehnen gemeint? Da könnte ich nämlich selber auch eine Selbsthilfegrupe brauchen…
Sehr amüsanter Artikel. Ich sag jetzt lieber nicht, wo ich mich einstufen würde, aber die Klassifizierung trifft sehr gut zu. ;-)Gruß, Daniel.
Ich habe den Artikel damals auch gelesen, für mich fehlen aber noch ein paar Charaktere. Der Typ „hochgezüchtetes Rennpferdchen“, der schon vor dem Start 5 km „Einlaufen“ absolviert haben, die „Materialliebhaber“, die mit den neuesten Schuhen, mehrfach verkabelt und mit 5 verschiedenen Energiegels und Kompressionsohrläppchenhüllen ausgestattet ist und die „sexy Hexy“, die mit kurzem Höschen, bauchfreiem Oberteil, pinken Turnschuhen und dem dazu passenden Lippenstift läuft. 😉
Anne, da stimm ich Dir voll zu. Das sind auf jeden Fall auch echte Typen, die man oft sieht. Aber irgendwo muss man sich ja leider beschränken und zehn ist eine gute Zahl.
Ich muß öfter im Westen laufen. SexyHexy ist hier eher selten. Der Nachholbedarf halt 😉
@Jörg Hier in Hessen kommt es auf die Sorte Läufe an. Bei großen Läufen mit 10 km-Strecke sind Sexy-Hexys durchaus unterwegs. Bei den von mir bevorzugten allerdings sind die Zausel deutlich in der Überzahl. Ich stell mir vor, die Traditionsläufe im Osten sind auch sehr Zausel-lastig. 🙂
ich stell mir vor, ich hätte den beitrag als schmittcast beim laufen gehört und jeden mir entgegen kommenden Läufer so eingestuft -ist diese Vorstellung nicht so schön, dass du wieder mal einen einstellen könntest??? (netter Versuch, oder?)
Hahaha, bin eindeutig eine Novizin, ich schmeiß mich wech *lach*
Ohje,ich kann mich gar nicht entscheiden was auf mich alles zutrifft. Ich schaffe locker 6 von 10 Punkten. Bin ich jetzt ein multipler Läufer? Na, wir werden uns mal zusammen setzen und das besprechen…Grüße vom -timekiller-
Genial!! Was habsch gelacht! Und gleich wieder neue Wörter gelernt wie z.B. „hüftstark“. Aber was bitte ist denn eine Kopfkissenfrisur??
Eine Kopfkissenfrisur erkennt man an den platt gedrückten Stellen im Haar. Dort wo das Kopfkissen mächtig Eindruck hinterlassen hat, legt sich das Haar in alle Richtungen und gibt den Blick auf die Kopfhaut frei. Es sieht ein bisschen aus wie ein Meteoriteneinschlag. In der Regel ist der Hinterkopf betroffen, besonders hübsch wirkt es aber bei Seitenschläfern, die dann einen überaus asymmetrischen Look bekommen. Ein leicht fettiger Haaransatz sorgt für zuverlässigen Halt, auch noch Stunden nach Verlassen des Bettes.
Das ist ja furchtbar, ich kann mich gleich in mehreren Volkslauftypen wiederfinden…Sport frei!Thomas
Au weia, so einen Dampfplauderer kenne ich!! ist hier als „Dr. Quatschmichtot“ bekannt und gefürchtet. Er läuft vorne mit und beschallt Mitläufer,Wald und Flur und auch die Gruppenletzten, die sich extra 100m haben zurückfallen lassen, haben keine Waldesruh…
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