Die Volkslaufsaison geht wieder los! Wir stehen sonntags wieder um 5:30 Uhr auf, stellen uns wieder hinter mit Holzspänen aufgestreuselte Linien im Wald und trinken wieder aus Pappbechern. Und das wichtigste: Wir werden wieder fotografiert! Sicher, seit einigen Jahren lichten wir uns mit unseren Klugfernsprechern unablässig selbst ab, aber das Ergebnis ist nicht dasselbe, wie das, was ein richtiger Sportfotograf an der Strecke produziert. Fotopoints sind Klassiker beim Volkslaufen und ich bin froh, dass es sie noch gibt, toi, toi, toi. Wer von weitem einen im Laub kauernden Menschen mit 48 Schultertaschen bemerkt, darf sich endlich einmal wie ein von einem Paparazzo verfolgter Promi fühlen. Herrlich. Nun heißt es aufgemerkt. Man laufe augenblicklich etwas versetzt, damit man nicht von anderen Läufern verdeckt wird. Außerdem sollte man seine Gesichtszüge kontrollieren und gut überlegen, ob man spielerisch-albern oder konzentriert-professionell aussehen will. Dann überprüfe man kurz seine Körperhaltung, auf das man sie ein wenig straffe. So sollte es ein furioses Bild geben. Zumindest in der Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Im wirklichen Leben lässt der Fotograf nämlich IMMER gerade dann den Apparat sinken, um auf das Display zu starren, wenn man selbst eigentlich gerade für ein Foto an der Reihe wäre. Oder aber der Vordermann reißt im entscheidenden Moment seine Arme hoch und das Bild zeigt auf der Höhe des eigenen Gesichts nur den erigierten Daumen eines übermotivierten Spaßvogels.

Sollte man es wider Erwarten doch geschafft haben, mit einer vollständigen Sammlung von Körperteilen auf einem Bild zu erscheinen, ist das Ergebnis stets verblüffend. Ich sehe meist aus, als wäre ich gerade nicht mit Laufen, sondern mit Thai Chi beschäftigt, zumindest mit einer Tätigkeit, die sehr, sehr langsam und weitgehend auf einer Stelle stehend ausgeführt wird. Dennoch scheint mein Körpergewebe, insbesondere das im Oberschenkel- und Kniebereich enorm in Bewegung zu sein. Es sieht aus, als habe es sich in mehrere Klumpen aufgeteilt und würde in verschiedene Richtungen zu fliehen versuchen. Meine Gesichtszüge sind verhärmt, meine Nasolabialfalten erinnern an den Udo Jürgens der späten Jahre. Das, was mir vom Zeitpunkt des Fotos als Lächeln in Erinnerung ist, wirkt, als habe mir ein Zahnarzt mitgeteilt, er müsse für die Wurzelbehandlung auch die hinteren Zähne sehen. Dies alles stelle ich aber erst dann fest, wenn ich das Bild bereits gekauft habe. Auf dem Thumbnail im Webshop des Fotografen verläuft nämlich IMMER der Schriftzug totalirregutelauffotos.de genau über den dynamischen Beinhautlappen und dem Gesicht. Um das Foto bezahlen können, habe ich zuvor wesentliche Teile des Familienschmucks und die Krügerrand-Sammlung bei ebay veräußert. So ein Lauffoto ist schließlich eine Investition. Eine unwiederbringliche Erinnerung. Wer wollte nicht ein Zielfoto, bei dem man gerade seine Uhr stoppt und das Display der Zeitmessung die Zeit des kürzlich gestarteten Bambini-Laufs einblendet! Ich freue mich riesig. Endlich werde ich wieder fotografiert.

Titelbild © Sara Kurfess – unsplash.com


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