Entgegen anderslautender Passagen in Biologiebüchern haben Frauen einen entscheidenden Körperteil, den Männer nicht haben: das Bauchbeinepo, abgekürzt BBP. Das Bauchbeinepo erstreckt sich von der Taille bis zur Wade. Frauen müssen es unablässig straffen, tonisieren, cremen, massieren und trainieren, sonst sieht das Bauchbeinepo aus wie ein überdimensioniertes Marshmellow mit Hagelschaden. Zumindest erzählen uns das die Kosmetik- und Fitnessindustrie. Männer haben dieses Körperteil nicht, sonst würde es ja auch Fitness-DVDs und Kurse für das Bauchbeinepo von Männern geben. Ich bin jetzt im besten Alter, um Dinge auszuprobieren, die mir ewige Schönheit versprechen. Außerdem bin ich mir sicher: auch mein Bauchbeinepo in akuter Marshmellowgefahr.
So habe ich mir eine Fitness-DVDs für den kleinen Bewegungshunger zwischendurch besorgt. Eine Premiere. Schon die Auswahl war irritierend.Was kauft man da? Pontius Pilates mit Barbara Becker? Yoga mit Ursula Karven? Der klassische Body Workout mit Cindy Crawford?
Ich entschied mich für ein Bauchbeinepo-Workout mit Core-Training. Das Bauchbeinepo sitzt ja außen, da könnte es ganz angenehm sein, auch meinen Kern zu trainieren. Wer oder was der Core ist, habe ich durch diese DVD leider nie erfahren. Ich stelle mir vor, es ist sowas wie der Karamellkern im Brauner Bär-Eis von Langnese – bestimmt habe ich so etwas auch und es wird höchste Zeit, es trainieren. Bei meiner DVD ist Johanna Fellner mit von der Partie. Johanna Fellner ist so eine Art moderne Sydney Rome. Die frühere Kunstturnerin und heutige Reebok Global Trainerin hat gefühlte 86 Fitness-DVDs veröffentlicht und turnt im wahrsten Sinne des Wortes auch gern mal im Fernsehen rum. Die muss ja wissen, wie sowas geht. Heute rackert Johanna Fellner mit zwei anderen Mädels also auf meiner DVD. Sie hat mir viele neue Erkenntnisse geschenkt. Zum Beispiel, was für ein großartiger Sport das Laufen ist. Ich kann es schnell tun, oder auch langsam, ganz nach Lust und Laune. Wenn ich mit anderen laufe, kann ich dabei reden. Wenn nicht, kann ich meine Woche planen. Ich kann Meetings vorbereiten, einen Streit beilegen, Liebesbriefe schreiben, Geschichten erfinden, Liedertexte rekonstruieren. Alles in meinem Kopf. Ich lerne, in welchem Stadtteil am häufigsten mit Zwiebeln gekocht wird und wann die Bärlauch-Saison beginnt. Ich inspiziere Sturmschäden und sehe, wie Baustellen voran kommen. Ich rieche Herbstlaub, frisch Gemähtes, Erdbeerfelder und den Grill in den Schrebergärten. Ich kann große Schiffe auf dem Uferweg überholen und mich von den kleinen überholen lassen. Ich sehe, was türkische Familien picknicken, höre Digeridoo-Spieler und treffe Filmleute bei ihren Dreharbeiten. Ich durchkreuze ein Kinderfest, den Flohmarkt und die Jubiläumsfeier vom Frauengesundheitszentrum. Ich treffe Hunde, Schafe, Hühner und Schottische Hochlandrinder.
Jetzt knie ich vor meinem Fernsehgerät und erinnere mich an Menschen, die mir gesagt haben, sie finden Laufen langweilig und machen lieber Fitnesstraining nach Anleitung. Statt Feld, Wald und Wiese zu begutachten starre ich abwechselnd auf das Rillenmuster meiner Isomatte und den Bildschirm, auf dem drei Frauen Bewegungen ausführen, die ich so niemals ausführen werde können.
Es ist anstrengend und gleichzeitig stumpf, und das schlimmste ist: es ist unmöglich, die Gedanken fließen zu lassen. Alles, was ich denken kann, ist, dass unter dem Fernsehschrank mal wieder feucht gewischt werden müsste. Unablässig redet eine Off-Sprecherin auf mich ein. Nicht, dass sie mir irgendetwas Nützliches oder Motivierendes erzählen würde. Zum Beispiel, dass in drei Wochen nichts mehr an mir herumwobbelt, so wie bei den drei Grazien vor mir, die beinahe unnatürlich knusprig sind. Nein, das sagt sie nicht. Dafür aber das: „Hoch, tief, hoch und tief, hoch, tief.“ Unablässig, bei jeder Übung. Und weil sie ahnt, dass ich bei all dem „Hoch und Tief“ schon keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, hilft sie mir beim zählen. „Und acht. Und sieben. Und sechs. Fünf. Und vier ….“ So geht das eine ganze Stunde lang.
Die Musik ist ein einziger Loop, fängt immer wieder von vorne an. Ich würde vor Langeweile zusammensacken, wenn es nicht so unfassbar anstrengend wäre. Nach einer Stunde werfe ich mich schweißgebadet und mit brennenden Muskeln auf die Iso-Matte. Mein Core und ich sind am Ende. Männer, seid froh, dass ihr kein Bauchbeinepo habt.
Titelbild: stocksnap – pexels.com, Fotos: © Antonuk, WONG SZE FEI – Fotolia.com
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5 Kommentare
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Großartig, echt, ich lach mich weg. Super geschrieben und vor allem beschrieben, als wäre man dabei. Fördert jetzt grundsätzlich aber nicht den Verkauf solcher Dvds, würde ich sagen :o)Viele Grüße
hihidas war der Hit!!Was bin ich froh, dass ich heute laufen gehen darf und mein BauchBeinePo Pause hat
Hat jetzt zwar nichts mit Fitneß-DVDs zu tun – aber das, was du in der Mitte über das Schöne am Laufen geschrieben hast, war das Wundervollste, was ich seit langer Zeit gelesen habe. Ich glaube, das schreibe ich mir raus…